Einleitende Worte zur Aktion:

"Wir lassen die Werkstatt erklingen!"

Jedes Kind hat Freude daran, mit einem Stock an den Stäben eines Geländers entlang zu ratschen oder mit strahlenden Augen einer Kaffeetasse klare und helle "Ping-Pings" mit dem Teelöffel zu entlocken. Auf manchem Jazz-Frühschoppen ließen sich schon von der Musik Beschwingte zu percussiver Unterstützung der Band hinreißen, indem sie Feuerzeuge, Schlüssel oder dergleichen im Takt an Biergläser schlugen.

"Schläft ein Lied in allen Dingen..." dichtete Eichendorff, und in der Tat: jedem Material kann man irgendeinen Klang entlocken - irgendetwas ist da immer in Schwingung, auch wenn wir es nicht hören. Und es gibt Einiges, was wir nicht hören! "...und die Welt hebt an zu singen, triffst du nur das Zauberwort." heißt es weiter in dem Gedicht.

Will man Material, Musikinstrumenten, Gegenständen, Töne und Klänge entlocken, muß man es geschickt anstellen, man muß es recht treffen. Jeder Klang hat eine goldene Mitte. Man versucht also als Percussionist oder Schlagwerker, den richtigen Punkt zu treffen, man nimmt Kontakt zum schwingenden Material auf, versucht es überhaupt erst einmal in Schwingung zu versetzen. Man spielt mit der Eigendynamik des Materials. Das ist übrigens der fundamentale Unterschied zwischen dem Umgang mit elektronischen Instrumenten, z.B. einem Digitalpiano und einem echten Instrument, wo der Spieler wirklich in der eben beschriebenen Weise damit beschäftigt ist, Klang aus Material hervorzulocken und, was auch interesant ist: zu modulieren.

Wenn es auf nicht asphaltiertem Boden regnet hören das die Regenwürmer als klopfendes Geräusch und kommen nach oben. Tausende von Raupen, die im Frühjahr in den Pappeln sitzen, hört man schmatzen, wie mir jetzt erzählt wurde. Das Spektrum der hörbaren Welt umfaßt eben wesentlich mehr, als in einer sehr laut gewordenen Welt überhaupt noch wahrnehmbar ist. Da, wo Bewegung ist, entstehen Geräusche und Klänge. Man denke an den hell plätschernden Bach, an das Brummen und Sirren von Insekten, an raschelnden Mais usw. usw. Unsere Aktion, die Kulturwerkstatt einmal klingen zu lassen, paßt unserer Meinung nach gut in die Jahreszeit, wo es allmählich, zum Frühjahr hin, sich wieder an allen Ecken bewegt und entfaltet. Es kommt wieder Bewegung in die Natur.

Der akustische Raum ist ein anderer als der optische. Man hört ja auch intensiver, wenn man die Augen schließt. Man hört dann wesentlich räumlicher. Im Alltag ist uns das

Mithören aller Geräusche nicht sonderlich bewußt. Wir wären aber sehr irritiert, wenn unsere Schreibtischschubladen oder die Kühlschranktüre plötzlich andere Geräusche als die vertrauten von sich geben würden. Umgekehrt sagt man ja auch wenn man irgendwo noch fremd ist, man kenne die Geräusche des Hauses noch nicht.

Ich möchte noch etwas erläutern zum Unterschied zwischen Ton, Klang und Geräusch. Ton ist ein Klang, der eine eindeutige Tonhöhe hat, die wir gut erkennen und nachsingen, bzw. wiedererkennen können. Uneindeutigere Töne sind Klänge. Es handelt sich hierbei um eine stärkere Vermischung verschiedener Töne. Kein Ton oder Klang hat eine feste Abgrenzung: Die Grenzen sind fließend und stets modulierbar, umformbar. So gibt es Klänge, die schon sehr stark ins Geräuschhafte übergehen, oder Geräusche, in denen man so gerade eben einen Klang erkennen kann usw. All das, die Klangfarbe, wie man auch sagt, hängt vom Materiel ab, von seiner Schwingungsfähigkeit.

Leicht wird schonmal zu ungewohnten Klängen gesagt: "Das ist doch keine Musik!" Wenn afrikanische Frauen fröhlich und energievoll den Rhythmus zu einem Lied mit Händen und Unterarmen ins Wasser schlagen und zwar so, daß verschiedene Klänge gekonnt eingesetzt werden, dann ist das auch Musik, aber für unsere Ohren ungewohnt! Melodie, Rhythmus, Klang sind musikalische Elemente, die nicht voneinander zu trennen sind und sich in Wechselwirkung, in fließenden Übergängen gegenseitig stabilisieren. Jeder gute Schlagzeuger hört auch auf die Melodien in seinen Rhythmen, die latent wiederum in den Klangmodulationen liegen.

Wenn man mal über den Tellerrand hinaushört, hört man anschließend Vertrautes auch wieder neu, mit neuem Erfahrungshintergrund so zu sagen. Der Weitgereiste betrachtet die Heimat auch mit neuen Augen. Die Realität, also das, was wir wahrnehmen, hat auch keine scharf umrissenen Ränder. Alles Erkennbare ist nur ein Teil eines großen Ganzen, welches wir nicht überblicken. Ein für uns klar erkennbarer Ton ist eine Schwingung, die in das Empfängersystem unserer Wahrnehmung paßt. Wenn wir ab und zu auch die sonst unbewußteren Außenbereiche unserer Wahrnehmung anregen und einbeziehen, wirkt sich das als Belebung und Erweiterung auf unseren sonstigen Focus aus.

Wir werden uns jetzt bemühen, Ihnen in kurzweiliger Form diesen Raum zu Gehör zu bringen!

 

(Aurelia M. Reuter am 26. Februar 2012)

 
 

zurück zu den Projekten

Aurelia M. Reuter * D-46045 Oberhausen * Impressum * Datenschutz

Technik, Design und Beratung yethiSolutions