Das Leben in Oberhausen Styrum und am Altmarkt

Oberhausener Impressionen - den ersten Teil notierte ich am 21.November 2013, weiter schrieb ich am 7.November 2014 :

 

Als ich gestern hier bei uns trotz des misslichen Wetters durch die Allee marschierte, dachte ich an Rilkes Herbstgedicht „Herr, der Sommer war sehr groß…“, man kennt es ja, und es heißt dann weiter: “…wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.“

 

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Ausgerechnet an diesem Tag sah ich an einer Stelle im Gebüsch eine Matratze liegen mit allerhand Decken und Kissen darauf. Ein Stück weiter war eine Parkbank mit mehreren Sofakissen dekoriert…sehr seltsam, an einem dieser typisch diesig-grauen Novembertage, bei absoluter Windstille und trübem Licht, solche Dinge aus dem Wohnbereich draußen zu sehen!

Natürlich trifft man auf derart elementare Lebensspuren weniger in „feineren“ Gegenden. Dieser Teil der Stadt hält jedoch für alle immer wieder Überraschungen bereit.

 
 

Kürzlich schaute ich aus dem Fenster und sah, wie ein junger Mann wohl den umstehenden Kumpels seine Sportlichkeit vorführen wollte, indem er sich an der Ampelanlage emporhangelte. Ein Jongleur und Artist übt dann und wann auf der anderen Seite der Allee, auf einer großen, leider auch recht bekackten Wiese. Vor einiger Zeit stand auf eben dieser Grasfläche plötzlich für ein paar Tage ein kleines Zelt. An einem der warmen Oktobertage sah ich wiederum eben dort jemanden auf einer Matratze einen Mittagsschlaf halten, weiter hinten picknickte eine gut gelaunte Zigeunerrunde. Vom Markt kommend bog heute vor mir ein Mensch, wie ich zu Fuß, plötzlich ab, um sich im nächsten Moment mit der größten Selbstverständlichkeit auf einer der Bänke auszustrecken – ich sah noch die weißen Socken und blank geputzten Schuhe im Vorbeigehen.

Der Altkleider- Container ist auch noch erwähnenswert, er ist längst zur Kleidertauschbörse erweitert worden: Ganz ungeniert hält man Jacken hoch, nimmt Maß, hält sich Hosen vor…volle Tüten werden, freundlich grüßend, abgestellt und neu aufgefüllt wieder mitgenommen. Man ist hier zwanglos und natürlich in diesen Dingen!

Die umliegenden Fensterbänke im Parterre-Bereich werden nachts gerne als Party-Standorte genutzt. Darüber sollte man nicht böse sein: Es gibt schließlich Leute, die nicht ihre Gespräche beenden wollen, nur weil die Kneipen dicht machen. Auch will nicht jeder dabei von halbnackten Frauen abgelenkt werden! Beim morgendlichen Rollo-Hochziehen siehst du sie dann, die verschiedenen leeren Fläschchen und mußt eigentlich jedesmal schmunzeln. Deine Fensterbank, die kleine Ecke Gemütlichkeit für eine Nacht!

Wer kein Haus hat, der muß natürlich auch einmal gründlicher seine Notdurft verrichten – da muß man schon mal diskret zur Seite schauen. Genauso gut kann man hier erleben, morgens um 2.30 Uhr eine ganz normale Frau auf der Straße mit ihrem Pinscher anzutreffen, die einem nur kurz erzählen möchte, wie sich ihr Vermieter wieder über den Hund aufgeregt hat und eine Nachbarin dann auch noch usw. Zu jeder Tages-und Nachtzeit kannst du dich hier mit irgendwem auf der Straße unterhalten! Auch wenn du dir nachts um 24.30 Uhr ein Teilchen an der Bude holen willst, werden Dir die Umstehenden dort freundlich Platz machen und evtl. noch gute Tipps geben.

Als ich frühmorgens, noch völlig schlaftrunken, einmal aus dem Flurfenster schaute und sah, wie eine Frau, bei besagtem Container stehend, einen wunderschönen, nachgemachten Hahn mit echten Federn in den Händen hin und her drehte, gab es keine Kommunikationsprobleme, als ich ihr, die offensichtlich kaum deutsch verstand, klar machte, daß ich den Hahn sehr gerne hätte als Vorlage zum Zeichnen für ein Plakat! Sie überließ mir, aufmunternd nickend, den Hahn und winkte mir von Weitem noch einmal zu.

Sollte allerdings nachts um 1.00 Uhr mal ein Riesenradau und Geschrei zu hören und kurz darauf die ganze Straße abgesperrt sein, so darf man sich nicht allzu sehr erschrecken. Am nächsten Morgen sehen die Leute alle wieder ganz friedlich aus.

Auch hier gibt es Autos, die den üblichen Rahmen sprengen, die haben aber Nummernschilder von auswärts. Bei warmem Wetter kannst du manchmal Frauen auf Treppenstufen sitzen sehen, mit wunderschönen Röcken, die mit offenem Munde kauend irgendetwas in sich hineinstopfen.

Zugegeben: Viele Leute sehen hier entweder etwas aufgequollen oder ausgemergelt aus, dabei oft zu rot oder zu blaß. Aber auch die sind gesellig und wollen sich das nicht nehmen lassen. Am Marktplatz spielt sich deshalb zur Zeit etwas Absurdes ab: Man hat wegen dieser zu Geselligkeit neigenden Leute die Bänke entfernen lassen - so nahmen sie halt am Brunnen Platz. Das gefiel aber den anderen Leuten, die dort gerne ihr Fischbrötchen essen, nicht und deshalb scheucht das Ordnungsamt jetzt immer diese Gesellen dort weg. Später sitzen sie dann auf den Mäuerchen der Baumbepflanzung. Auch da greift die Polizei oder das Ordnungsamt natürlich durch, wonach sie dann auch erst einmal spurlos verschwunden sind. Nach einer Weile sitzen sie aber auf den Treppenstufen der Kirche. Bald darauf kommt wieder ein wackrer Ordnungshüter…ja, und später sitzen sie wieder am Brunnen usw. Letzter Stand der Dinge: Man stellt einen Wagen des Ordnungsamtes oder der Polizei dort ab, der Polizist geht Kaffeetrinken (kann ich bezeugen!) und die Leute setzen sich solange hinter der Bude auf die Kirchenstufen.

Mich stimmen solche Erlebnisse immer heiter, weil ich dann weiß, daß es noch nicht ganz finster geworden ist in unserem Staat.

Man kennt hier auch die bei der Stadt angestellten Gärtner, die unsere Allee regelmäßig mit mehr oder weniger Geräusch pflegen. Von einem konnte ich, gesprächig wie man hier nun mal ist, sein Butterbrot dabei kauend, erfahren, daß er, seit er diesen Job hat, kein einziges Mal mehr erkältet gewesen sei…es gäbe nichts Besseres als einen Job an der frischen Luft! Ich neige eher dazu, hier nicht von „frischer Luft“ zu sprechen, aber, man glaubt es vielleicht kaum: Irgendwo, für uns alle unsichtbar, gibt es einen Hahn in den Gärten, sein Krähen ist in verkehrsberuhigten Zeiten zu hören!

 

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